Bezeichnung | Inhalt | Bezeichnung | Inhalt |
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Name: | 15/5977 | ||
Art: | Antrag B90/Grüne | ||
Datum: | 12.03.2019 | ||
Betreff: | Die Zukunft der Alleestraße modern, nachhaltig und lebensfreundlich gestalten: Umsetzung eines Sofortprogramms und Prüfung von Perspektiven |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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![]() | Antrag B90/Grüne 453 KB | |
![]() | Auszug Rat 61 KB |
Sehr geehrter Herr
Oberbürgermeister Mast-Weisz,
die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bittet Sie, folgenden Antrag auf die Tagesordnung der
Ratssitzung am 28.03.2019 stellen zu lassen:
1. Unter
Berücksichtigung von potentiellen Fördermitteln (z.B. Städtebauförderung,
Heimatförderung) werden folgende Sofortmaßnahmen auf der Alleestraße umgesetzt:
· Aufhebung der Einbahnstraßenregelung
für den nicht (konventionell) motorisierten Verkehr,
· Einhaltung von Schritttempo durch alle
Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer,
· Vorrang für die/ den jeweils
schwächere/n Verkehrsteilnehmer*in,
·
Anpassung und Durchsetzung der Ordnungssatzung,
· Verkehrs- und Ordnungsregeln werden
mittels Schildern und Piktogrammen gut sichtbar und international verständlich
kommuniziert,
·
Unterstützung des KOD durch städtische Streetworker.
f.
Die Brunnen werden wieder in Betrieb genommen. Die Stadt bemüht
sich weiterhin/ erneut um die Anwerbung von Sponsoren, hierzu werden u.a.
Gespräche mit den Stadtwerken, der Stadtsparkasse und der GEWAG aufgenommen.
g.
Die Sondernutzungsgebühren werden in Absprache mit der
Bezirksregierung zunächst ausgesetzt.
2. Die Verwaltung prüft die beschleunigte
Umsetzung der von Bürgerschaft und Anliegern gemeinsam entwickelten Maßnahmen
zur Aufwertung der Alleestraße im Rahmen der Städtebauförderung.
Begründung:
Die aktuelle Diskussion über die
Öffnung der Alleestraße für den Autoverkehr läuft allen anerkannten Konzepten
einer modernen und nachhaltigen Stadtentwicklung zuwider. Immer mehr Städte in
Deutschland, Europa und weltweit diskutieren über autofreie Innenstädte und
eine Stadtentwicklung, die anstelle des Autos endlich wieder die Menschen und
ihre Lebensqualität in den Mittelpunkt rückt. In Remscheid wollen Teile der
Politik dagegen die bestehende Fußgängerzone für den motorisierten
Individualverkehr (MIV) öffnen. Eine solche Politik ist nicht nur von
vorgestern, sie bedient dabei auch noch Einzelinteressen. Denn die
Autofahrer*innen in unserer Stadt beklagen weder die aktuelle Verkehrsregelung,
noch die Parkraumsituation. Die Vielen, die gar kein Auto besitzen, haben vom
Vorschlag der ISG ohnehin keinerlei Nutzen, dafür aber umso mehr
Einschränkungen zu erwarten. Keine der zurzeit diskutierten Zukunftsvisionen
für die Alleestraße würde von mehr Autoverkehr und Parkplätzen profitieren,
weil beides den Anforderungen an ein lebenswertes Umfeld längst nicht mehr
entspricht. Unabhängig davon welche Ideen sich durchsetzen – ob gehobenes und
generationenübergreifendes Wohnen, Einzelhandel, die Ansiedlung von Gastronomie
oder öffentlich Einrichtungen - Autoverkehr wäre ein Störfaktor für die
Menschen und die Aufenthaltsqualität auf der Allee. Statt einer aufgewärmten
und rückwärtsgewandten Notlösung, brauchen wir eine ehrliche Diskussion über
die Perspektiven unserer Innenstadt und davon abgeleitet über eine moderne und
nachhaltige Zukunftsgestaltung der Alleestraße. Unser Ziel ist es, eine
Innenstadt zu bewahren, die allen Menschen in Remscheid als sozialer Treffpunkt
und zivilgesellschaftlicher Gestaltungs- und Entfaltungsraum dient.
Zu 1.)
Praxisbeispiele, wie z.B. die Stadt
Hasselt in Belgien, belegen, dass autofreie Innenstädte
Einzelhandel, Gastronomie, Fremdenverkehr
und die Lebensqualität insgesamt, heute mehr denn je begünstigen. So tragen sie
auch entscheidend zur Identifikation der Einwohnerinnen und Einwohner mit ihrer
Heimatstadt bei. Denn immer mehr Bürger*innen leiden unter den Folgen des
Autoverkehrs und erleben Luftverschmutzung und Lärm als nur schwer erträglich.
Autoverkehr macht das städtische Leben für die meisten Menschen nicht
attraktiver, er erstickt es buchstäblich. Daher möchten wir die Alleestraße
zwischen Markt und Fastenrathstraße im Sinne eines „Open Space“ (gemeinsamer
Raum für alle Verkehrsteilnehmer*innen) für jeglichen nicht (konventionell)
motorisierten Verkehr öffnen. Flankiert
wird diese Öffnung von klaren Regeln (Schritttempo, Vorrang für Schwächere,
Ordnungssatzung), deren Durchsetzung durch den KOD gewährleistet wird, und
weiteren zügig umzusetzenden Maßnahmen zur Förderung der Aufenthaltsqualität,
der Nutzungsmöglichkeiten und von Handel und Gastronomie. Die Maßnahmen werden
mit wissenschaftlicher Unterstützung in Bezug auf Indikatoren wie
Verkehrssicherheit, Kundenfrequenz, Umsatz, Entwicklung von Geschäftszeiten und
Leerstandsquoten etc. belastbar evaluiert.
Zu 2.)
Seit rund zwei Jahren läuft ein von der
Stadt unterstützter und von Experten moderierter bürgerschaftlicher Prozess zur
Aufwertung der Remscheider Innenstadt. Neben der Durchführung eines
Architektenwettbewerbs zur Umgestaltung des Friedrich-Ebert-Platzes, haben
engagierte Remscheiderinnen und Remscheider, unter Beteiligung von Politik und
ISG, einen Maßnahmenkatalog zur Aufwertung der Alleestraße entwickelt. Anstatt
diesen bürgerschaftlichen Prozess nun durch eine Öffnung für den Autoverkehr zu
unterlaufen, sollten Rat und Verwaltung gemeinsam nach Möglichkeiten suchen,
die vorgeschlagenen Maßnahmen schneller, als bislang geplant umzusetzen.
Zu 3.)
Teil dieses bürgerschaftlich
erarbeiteten Maßnahmenkatalogs ist auch die Installation von Spielgeräten auf
der Alleestraße. Diesen Wunsch aufgreifend wollen wir die Verwaltung mit einer
Prüfung beauftragen, in welchem Umfang, zu welchen Kosten und an welchen
Stellen Spielgelegenheiten und kleine Spielplätze dauerhaft installiert bzw.
angelegt werden können. Hierzu zählen auch Aufenthaltsmöglichkeiten und der
Schutz vor Witterung für Jung und Alt.
Zu 4.)
Über die bislang erarbeiteten Maßnahmen
hinaus, wollen wir die Aufenthaltsqualität und die Nutzungsmöglichkeiten weiter
zielgruppenorientiert steigern, mit dem Ziel einen urbanen und sozialen Raum zu
schaffen, der allen Remscheiderinnen und Remscheidern nutzt, ob sie Autofahrer*innen
sind oder nicht. Insbesondere für solche Zielgruppen, die besondere
Anforderungen an den öffentlichen Raum stellen, sind die gewählten Beiräte
kenntnisreiche und lösungsorientierte Berater. Mit ihrer Hilfe wollen wir die
Alleestraße im Sinne aller Nutzerinnen und Nutzer weiterentwickeln.
Zu 5.)
Nicht nur in Remscheid hat sich die
Einzelhandelslandschaft in den vergangenen 30 Jahren grundlegend verändert. Auf
den traditionellen, inhabergeführten Einzel- und Fachhandel folgten zunächst
immer größer werdende Kauf- und Versandhäuser und später moderne
Einkaufszentren. Diese Entwicklung förderte und beschleunigte die Verdrängung
des kleinteiligen Einzelhandels durch große und uniforme Handelsketten. Heute
kämpfen auch diese Großunternehmen mit sich verändernden
Wettbewerbsbedingungen, maßgeblich angetrieben durch den wachsenden
Onlinehandel. Mit diesem Wandel verlieren insbesondere die Stadtzentren der
Mittel- und Unterzentren zunehmend ihre Funktion als zentrale
Einzelhandelsstandorte. Angesichts dieser Entwicklung hilft es niemandem, sich
an Konzepte und Weisheiten des vergangenen Jahrhunderts zu klammern. Vielmehr
müssen neue Funktionen für unsere zentralen urbanen Räume gesucht und
entwickelt werden. Im Sinne einer lebendigen Stadt wollen wir dabei jedoch den
Charakter unseres Stadtzentrums als Treffpunkt der Stadtgesellschaft erhalten.
Auch neue Funktionen müssen diesem Anspruch gerecht werden. Ein bereits breit
diskutierter Beitrag hierzu wäre die Etablierung einer „Gastro-Meile“ oder
eines „Kneipenviertels“, wie es andere Städte erfolgreich vorgemacht haben. Mit
der noch jungen Initiative „MyViertel“ steht für eine solche Entwicklung ein
kompetenter und engagierter Partner bereit. Wir wollen die Verwaltung
beauftragen die bestehenden vielversprechenden Ansätze zu einer steuerbaren
Strategie weiterzuentwickeln.
Zu 6.)
Die drei in den 90ern auf der Mitte der
Alleestraße errichteten Pavillons sind aus Sicht vieler Experten ein Mahnmal
der verfehlten Stadtentwicklungspolitik früherer Jahre. Sie zerschneiden den
öffentlichen Raum und die ästhetisch wie räumlich wichtige Achse zur
stadtbildprägenden Stadtkirche. Dadurch bilden sie physische Barrieren zwischen
der oberen und unteren Alleestraße, die beide Funktionsräume in ihrer
Entwicklung von einander abgekoppelt haben und so im Laufe der Zeit auch zu
sozialen Barrieren wurden. Um die „autofreie Zone Alleestraße“ wieder in ihrer
Gesamtheit betrachten und entwickeln zu können, muss die Verwaltung gemeinsam
mit der städtischen Tochter Gewag in Gespräche darüber eintreten, unter welchen
Bedingungen die Pavillons mittelfristig zurückgebaut werden können.
Zu 7.)
Seit Jahren setzen wir GRÜNE uns für
einen besseren Übergang von der Allee- in die Hindenburgstraße ein. Eine
verkehrsberuhigte Gestaltung des Bereichs zwischen Alleestraße,
Fastenrathstraße, Daniel-Schürmann-Str. und Hindenburgstraße als sogenannter
„Shared Space“ käme allen Verkehrsteilnehmer*innen zugute. Durch den Abbau von
Barrieren kann ein fußgänger- und radfahrerfreundlicher Übergang zwischen
Hindenburgstraße und der Innenstadt entstehen, die Anbindung der
Bushaltestellen verbessert werden und der verbleibende Autoverkehr durch den
Wegfall von Ampeln gleichzeitig beruhigt und verflüssigt werden. Diese
Gestaltung stärkt die Verbindung der Wohnquartiere zwischen Rathaus, Stadtpark
und der Innenstadt und schafft so neue Perspektiven für die Alleestraße und die
Hindenburgstraße gleichermaßen.
Zu 8.)
Die Zukunft der Mobilität ist
vielseitig. Elektromobilität (ob mit Batterie oder Brennstoffzelle) und
autonomes Fahren sind nur zwei Stichworte für zeitgemäße Verkehrsformen. Erste
Modellprojekte zeigen bereits seit einiger Zeit, dass diese Zukunft längst
begonnen hat. Erst kürzlich wurden der Bergischen Struktur- und
Wirtschaftsförderungsgesellschaft Fördermittel für ein Kompetenzzentrum
„Autonomes Fahren“ zugesagt. Die Stadt Remscheid sollte diese Gelegenheit
nutzen und sich als Testkommune für einen innerstädtischen, autonomen
öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung stellen. Ein (selbstfahrender) e-Shuttle
zwischen Markt und Theodor-Heuss-Platz wäre infrastrukturell zukunftsweisend
und ein Highlight für das Stadtmarketing und die Stadtwerke.
Zu 9.)
Neben der Schaffung modernen Wohnraums
und der Ansiedlung von Gastronomie, wurde auch die Ansiedlung öffentlicher
Einrichtungen an der unteren Alleestraße bereits mehrfach diskutiert. Die vom
Oberbürgermeister vorgeschlagene Verlagerung des Berufskollegs Wirtschaft und
Verwaltung war ein vielversprechender Ansatz, dem sich der Rat nach langem
Ringen nicht angeschlossen hat. Dennoch sollte dieser Gedanke weiterverfolgt
und konkretisiert werden. Neben den berufsbildenden Schulen und der
Stadtbibliothek ist in unseren Augen auch die Verlagerung des Arbeitsamtes, der
Jugendberufsagentur, des Jobcenters, einzelner Einheiten der Stadtverwaltung
und/ oder die Verlagerung von durch die Stadt geförderten Beratungsstellen
konkret zu prüfen.
Zu 10.)
Eines der größten Probleme der
Innenstadtentwicklung ist und bleibt die Ansprache und Motivation der privaten
Immobilienbesitzer*innen. In ihre Immobilien zu investieren, Nutzungsänderungen
anzuschieben, Mieten zu senken oder sich an der Umfeldgestaltung zu beteiligen,
ist Einzelbesitzer*innen aus vielerlei Gründen oft nicht möglich. Gerade für
große Investoren ist ein Leerstand jedoch oft sogar lukrativer, als aufwendige
Sanierungen, Umnutzungen oder ein Abriss. Um diesem sogenannten „spekulativen
Leerstand“ und dem Desinteresse einiger Immobilienbesitzer*innen
entgegenzutreten, stellen das Planungs- und Baurecht unterschiedliche
Instrumente zur Verfügung. Dabei gilt richtigerweise, je größer der
(potentielle) Eingriff in Eigentumsrechte und -pflichten ist, desto höher sind
die gesetzlichen Hürden. Vor dem Hintergrund der anhaltenden stadtplanerischen
Ohnmacht im Bereich Alleestraße, halten wir es dennoch für erforderlich, die
Anwendung solcher langfristig angelegten stadtentwicklungspolitischen
Instrumente zu prüfen und soweit sinnvoll voranzutreiben. Solche von
hoheitlichen Eingriffen geprägten Konzepte sind zwingend in einem transparenten
politischen und bürgerschaftlichen Prozess zu entwickeln, zu kommunizieren und
zu steuern.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Beatrice Schlieper David
Schichel
Fraktionssprecherin stellv.
Fraktionssprecher